2022 soll die Medikationsanalyse als wichtige Apotheken-Dienstleistung neuen Rückenwind erhalten: In Kooperation mit der Medizinischen Universität Wien und dem Dachverband der Sozialversicherungsträger hat die Apothekerkammer eine breit angelegte Pilotstudie auf den Weg gebracht. Dieses zukunftsweisende Projekt wird die gesundheitlichen Vorteile einer strukturierten Medikationsanalyse durch Apotheker:innen für von Polypharmazie betroffene Patient:innen und das ökonomische Einsparpotenzial für das Gesundheitssystem systematisch erheben, dokumentieren und auswerten.

Rund ein Viertel der über Sechzigjährigen in Österreich nimmt aufgrund mehrerer Grunderkrankungen fünf oder mehr Arzneimittel gleichzeitig ein – das sind mehr als 500.000 Menschen. Viele Patient:innen sind durch die Fülle an Medikamenten überfordert und verlieren leicht den Überblick, was sie warum verschrieben bekommen haben und in welcher Dosierung sie es einnehmen sollten. Das kann schlimme Folgen haben.

Apothekerkammer-Vizepräsident Raimund Podroschko setzt sich seit langem für eine von der Krankenkasse bezahlte umfassende Medikationsanalyse ein. „Wir wissen aus vielen Studien, dass Polypharmazie negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Patientinnen und Patienten haben kann. Beispielsweise durch Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Medikamenten. Zudem können durch zu viele oder sich nicht vertragende Medikamente im Gesundheitssystem erhebliche Zusatzkosten entstehen. Beides ist durch eine Medikationsanalyse vermeidbar. Wie groß der Nutzen für Patienten und Gesundheitssystem ist, werden wir in dieser wissenschaftlichen Pilotstudie nun unter Beweis stellen.“

Bei der Medikationsanalyse wird die individuelle Gesamtmedikation des jeweiligen Patienten bzw. der jeweiligen Patientin durch die Apotheker:innen systematisch erfasst. Dazu zählen alle Arzneimittel, die dauerhaft, akut oder bei Bedarf angewendet werden sowie alle vorhandenen Arzneimittellisten und Medikationspläne. Dieser zuvor meist fehlende Überblick liefert den Arzneimittelspezialisten wertvolle Hinweise auf Probleme wie Doppelmedikation, falsche Dosierungen, mögliche Wechselwirkungen oder Kontraindikationen. Mit gezielten Fragen werden in einem persönlichen Gespräch Problemfelder wie Unverträglichkeiten, Nebenwirkungen oder mangelnde Therapietreue ausgeleuchtet. Zudem sollen im Gespräch die Gesundheitskompetenz und die Einhaltung der Therapie durch den Patienten bzw. die Patientin gezielt verbessert werden.

An der Pilotstudie nehmen 10 Wiener Apotheken mit insgesamt rund 200 Patient:innen teil. Alle Teilnehmenden sind von Polypharmazie betroffen. Im Rahmen von persönlichen Gesprächsterminen in der Apotheke werden die Medikation und das Wohlbefinden der Teilnehmenden systematisch und anhand eindeutig festgelegter Kriterien erfasst. Eine von einer pharmazeutischen Expert:innengruppe entwickelte Software unterstützt und strukturiert das Patientengespräch. Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt durch Priv-Doz. DDr. Christian Schörgenhofer vom Institut für Klinische Pharmakologie an der Medizinischen Universität Wien. Die Ergebnisse der Studie werden voraussichtlich Ende 2023 vorliegen und dazu beitragen, dass die Medikationsanalyse bald in allen 1.400 Apotheken ausgerollt werden kann.

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